5/2/6 | Ungarn 1919. Die Verlockung des Kommunismus.

Ungarn 1919: Die Verlockung des Kommunismus.

 

Am 16. und 17. Oktober 2014 veranstaltete das Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie in Zusammenarbeit mit dem Institut für ungarische Geschichtsforschung in Wien (Balassi Institut – Collegium Hungaricum Wien) und der Universität Wien – EVSL/ Abteilung Finno-Ugristik ein Symposium mit dem Titel „Ungarn 1919 – Die Verlockung des Kommunismus“. Eine interdisziplinäre Gruppe von Forschern aus Ungarn und Österreich hielt Vorträge zu diversen Aspekten der lebensgeschicht-lichen Auswirkungen und der autobiographischen und literarischen Verarbeitungen der ungarischen Räterepublik.

Nach der Oktoberrevolution in Russland 1917 und dem Zusammenbruch der Monarchien in Deutschland und Österreich-Ungarn als Folge des 1. Weltkriegs wurden mehrere Versuche in Mitteleuropa unternommen, kommunistische Staatsformen zu gründen. Das langlebigste dieser Experimente war die im März 1919 ausgerufene ungarische Räterepublik unter der Führung des aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Journalisten und Vorsitzenden der jungen kommunistischen Partei Ungarns, Béla Kun.

Die 133-Tage-andauerende Räteherrschaft war eine bedeutende Episode im Leben von Intellektuellen wie jenen des Sonntagskreises um Georg Lukács, Béla Balázs und Karl Mannheim. Für einige Intellektuelle und Künstler eröffnete die „Diktatur des Proletariats“ neue Aktionsfelder. Namhafte Gestalten des ungarischen Geisteslebens engagierten sich im Kontext der Kulturpolitik der Räterepublik, in der Georg Lukács als stellvertretender Volkskommissar für das Unterrichtswesen eine maßgebliche Rolle spielte.

Neben den unterschiedlichen lebensgeschichtlichen und intellektuellen Konsequenzen des gescheiterten kommunistischen Projekts lag der Fokus des Symposiums auf den biographischen Narrativisierungen und literarischen Verarbeitungen der historischen Ereignisse. Von besonderem Interesse war weiters die unterschiedliche Verarbeitung der Revolution von 1919 in den (politischen) Erinnerungskulturen des Westens und Ostens mit besonderer Rücksicht auf die Biographie. Unser Ziel war es, ein Schlaglicht auf in die kulturelle und politische Geschichte der Räterepublik involvierte Individuen zu werfen; darüber hinaus sollte anhand von Ungarn 1919 auch exemplarisch untersucht werden, in welchen divergierenden, von Ort, Zeit und politischem wie auch sozialem Umfeld abhängigen Weisen ein folgenreiches politisches Ereignis in den Erzählungen individueller Lebensgeschichten (re-)konstruiert wird.

Ein Sammelband ist derzeit in Vorbereitung.

Kontakt: Albert Dikovich (albert.dikovich@gtb.lbg.ac.at)

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