4/4/3 Programmlinien / Programmlinien erste Phase /Hugo von Hofmannsthal
Biographie Hugo von Hofmannsthal
„Es sind einige herangetreten, meine Biographie schreiben zu dürfen. Ein sehr sonderbares Ansinnen. Die Anekdoten – die Aufenthaltsorte – die Begegnungen – die Einflüsse. Unfähigkeit, das rein geistige Abenteuer zu erfassen“, notiert Hugo von Hofmannsthal im November 1926 und gibt zu bedenken: „Wer eine Biographie macht, stellt sich gleich.“ Die zahlreichen Selbstzeugnisse des Dichters - für die der Titel Ad me ipsum durchaus charakteristisch ist - sind durch Diskretion bis hin zur Scheu vor Selbstentblößung gekennzeichnet. Schon Freunde und Zeitgenossen taten sich in ihren Zeugnissen und Würdigungen schwer mit der komplizierten Persönlichkeit des Dichters.
Ähnlich wie der Roman entwirft die traditionelle Biographie einen „Chronotopos“ (Michail Bachtin), in dem das Geschehen situiert ist. Je epischer die Narration, desto stärker wird die Zeitachse die Anordnung des Materials bestimmen, sowohl hinsichtlich der textuellen Rekonstruktion der Ereignisse als auch für das Auge des Lesers.
Die Hofmannsthal-Biographie geht andere Wege. Sie orientiert sich topographisch, akzentuiert also die Raumachse. Fokussiert werden 20 Orte, Räume, die das Leben des Dichters essentiell bestimmt haben: das Elternhaus in der Salesianergasse, das Akademische Gymnasium, die Villa Wertheimstein, der Salon im Palais Todesco, die Kaserne in Göding, sein Schlössl in Rodaun, das Bugtheater, Venedig, Dresden, Salzburg - Orte, die zugleich Wissensräume konstituieren, lieux de mémoire biographischer Erkenntnis.