4/3/1 | Programmlinien / Kulturwissenschaftliche Biographik/ ‚Junges Wien’
Ausstellung ‚Junges Wien’
„Freunde? Freunde sind wir ja eigentlich nicht – wir machen einander nur nicht nervös.“ So soll sich der Dichter und Dandy Richard Beer-Hofmann einmal ironisch über das Junge Wien geäußert haben, den Schriftstellerkreis, der mit seinem vielfältigen Wirken die Kultur und Ästhetik der Wiener Moderne ganz entscheidend geprägt hat.
Die Gruppe begann sich um 1890 zusammenzufinden – in offenen, fluktuierenden, und unhierarchischen Zusammenkünften zuallererst im Café Griensteidl, dem Kaffeehaus im alten Palais Herberstein, das von Hermann Bahr später zu einer „platonischen Akademie“ verklärt wurde. Dort fanden sich neben Bahr, dem unermüdlichen Netzwerker und selbsternannten „Gründer“ von Jung-Wien und Beer-Hofmann, auch der Arzt und Schriftsteller Arthur Schnitzler, der als literarisches Wunderkind gehandelte Hugo von Hofmannsthal und Felix Salten, der vor allem mit der von Walt Disney verfilmten Tiererzählung „Bambi“ größere Bekanntheit erreicht hat.
Doch auch eine Vielzahl anderer literarischer Talente, Journalisten, Redakteure und Kunstkritiker sahen sich der Tischrunde des Jungen Wien zugehörig. Eduard Michael Kafka, Herausgeber der Zeitschrift Moderne Dichtung, des „Kampfblatts des Jungen Wien“ (Hugo von Hofmannsthal), nannte einmal die eindrucksvolle Zahl von „42 Schriftstellern, – die Elite der schriftstellerischen Jungmannschaft Oesterreichs!“ – von denen die meisten allerdings heute kaum mehr bekannt oder gar vergessen sind.
Die Ausstellung wird sich auf Basis kulturwissenschaftlicher und soziologischer Netzwerkanalysen mit Einflussbeziehungen, Kommunikationsprozessen und Handlungsspielräumen der Literaten des Jungen Wien, mit Parallelitäten und Differenzen der verschiedenen Lebensläufe und -konzepte beschäftigen, aber auch mit der Frage, welchen literaturgeschichtlichen Konstruktions- und Kanonisierungsprozessen die Gruppenbildung und -zugehörigkeit zugrunde liegt. Die Auseinandersetzung mit den Organisationsformen des fluktuierenden, unhierarchischen Literatenkreises, den Formen der Konstituierung und Institutionalisierung (über Zeitungen und Zeitschriften, Vereine und Vereinigungen) und diversen Sozial-Räumen des Zirkels, bildet die inhaltliche Basis der Ausstellung zum Jungen Wien.